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185840

(1996) Kritik der Lebenswelt, Dordrecht, Springer.

Der Absolutismus des transzendentalen Ich

Struktur und Methode der Phänomenologie Husserls

Frank Welz

pp. 31-113

Auch die Phänomenologie Husserls kann als eine Denkform verstanden und hinsichtlich ihres inneren Gestaltungsprinzips untersucht werden. Auch sie läßt sich daraufhin befragen, wie und wo sie steht im Strukturwandel des Weltverstehens, der sich in den Wissenschaften der Neuzeit vollzogen hat; denn anders als im Zugriff auf ihren paradigmatischen Kern wäre Husserls »methodische[r] Arbeitsphilosophie« auch kaum gerecht zu werden.1 Schließlich ist es die von ihm begründete Denkweise, die sich nicht nur von dieser oder jener Überlegung lossagen, sondern gleich ganz mit vergangenen Theoriestrategien brechen will und eine »ganz andere Wissenschaft« verspricht.2 Bekannt ist, wie Husserl »die Philosophie im Sinne strenger Wissenschaft radikal neu zu gestalten« sucht. Mit einer »Phänomenologie des Bewußtseins« soll über die Schranken des tradierten Denkens hinauszukommen sein.3 Angebbar wird Husserls Programm insofern schon hier: Als archimedischer Bezugspunkt phänomenologischer Forschung dient ein Ich, das demiurgische Fähigkeiten besitzt. Gegen allen Schein wähnt Husserls Philosophie selbst die »Welt« als »konstitutives Produkt einer absoluten monadischen Subjektivität«.4 Es ist klar, daß das Anliegen Husserls dabei nicht dasjenige einer empirischen Wissenschaft ist. Er reflektiert vielmehr Vorfragen jeder Theoriebildung. Allein von metatheoretischem Interesse kann daher sein Ansatz im Diskussionszusammenhang der Sozialwissenschaften sein. In dieser Ebene offeriert das scharfe Problembewußtsein seiner Philosophie jedoch ein Lehrstück. Denn wider die pragmatische Wahl eines ›Standpunktes‹, die nur in der Tagesarbeit der Sozialforschung, nicht im Ansatz der Theorie verständlich ist, bietet Husserls Philosophie den ernsthaften Versuch, das theoretische Geschäft der Kulturwissenschaft nicht vom Transformationsprozeß des neuzeitlichen Weltverständnisses zu entkoppeln, sondern die Grundfragen des Erkenntnisgewinns — wie jede Erkenntnistheorie von Bedeutung — auf dem Hintergrund des Entwicklungsstands der paradigmatischen Struktur der Wissenschaften in Angriff zu nehmen.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-322-97069-5_2

Full citation:

Welz, F. (1996). Der Absolutismus des transzendentalen Ich: Struktur und Methode der Phänomenologie Husserls, in Kritik der Lebenswelt, Dordrecht, Springer, pp. 31-113.

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